Depressionen können jeden treffen und Depressionen sind häufig. Neueste Studien gehen davon aus, dass in Europa innerhalb eines Jahres etwa 7% der Bevölkerung an einer Depression erkranken. Betrachtet man die gesamte Lebensspanne eines Menschen, so liegt die Wahrscheinlichkeit bei etwa 15%. Die Welt Gesundheitsorganisation sieht deswegen auch in den Depressionen eine der weltweit häufigsten Erkrankungen, die mit der sogenannten "Beeinträchtigten Lebenszeit" einhergehen. Sie rechnet mit einer weiteren Zunahme.
Die Schwere einer depressiven Erkrankung kann erheblich variieren. Die Folgen sind dennoch häufig verzweifelter Rückzug aus dem Leben, Einschränkung an Lebensfreude und Interessen, Minderung von Belastbarkeit und nicht selten auch Verlust von Arbeitsfähigkeit. Mitunter kann die Verzweiflung so groß werden, dass Suizidgedanken oder auch -handlungen folgen. Die Depression ist also eine sehr ernst zu nehmende Erkrankung.
Umso erstaunlicher ist die Versorgungssituation psychisch kranker Erwachsener in Deutschland insgesamt. Nur ca. 50% aller Depressionen werden überhaupt erkannt. Dies hat unterschiedlich Gründe und hängt trotz vieler Aufklärungskampagnen nach wie vor mit Stigmatisierungstendenzen der Gesellschaft zusammen. Und selbst wenn in der hausärztlichen Versorgung eine depressive Erkrankung erkannt wurde, resultiert daraus noch lange nicht eine adäquate Versorgung. Nur ca. 10% erhalten eine solche, nur ca. 2,5% der Betroffenen werden ambulant psychotherapeutisch versorgt. Die Wartezeiten sind nach wie vor zu lange, im Durchschnitt muss man 4 Monate auf einen Psychotherapieplatz warten. Dies ist in ländlichen Regionen oftmals noch deutlich länger.
Aspekte von Prävention und Selbsthilfe stehen deswegen im Mittelpunkt dieses Buches. Was kann ich persönlich tun, was fördert meine Widerstandsfähigkeit, was unterstützt den Weg aus der Depression heraus?
Rezensionen
Empathischer Ratgeber
Ein "wohlwollender, fürsorglicher Umgang mit sich selbst", das ist es, was Christian Firn in diesem schmalen, sehr auf das ganz praktische Leben und Erleben ausgerichtete Buch dem Leser ans Herz legen möchte.
Wenn die Fluten über einem zusammenschlagen, wenn Depression im Raum steht, wenn alles mehr und mehr im dunkelgrau bis schwarz versinkt. Ein Zustand, ein Erleben, das mit Recht als eine Art "Volkskrankheit" benannt werden kann und dessen Spitze sich in der hohen Zahl der Suizide in Deutschland ebenso ausdrückt, wie im um sich greifenden "Burn Out" (nichts Anderes als eine tiefe Depression) oder allein bereits in der sich potentiell steigernden Verschreibung von Anti-Depressiva.
Wie wichtig diese Fähigkeit (und das Instrumentarium) eines "für sich selbst Sorgens" ist, wird nicht nur im Lauf der Lektüre überaus deutlich, sondern erschließt sich ohne weiteres bereits dem einfachen Nachdenken. Denn wem es gelingt, über gute, stabilisierende Schritte für sich selbst überhaupt in einer depressiven Phase nachzudenken, der ist fürwahr, wie Firus formuliert, beim "ersten Schritt heraus aus der Depression", der kann sogar durch und in einer Depression genau jenen "Türöffner" für sich entdecken, sich um sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu kümmern.
Zunächst nun wendet sich Firus kompakt, praxisnah und verständlich der (Selbst-) Diagnostik und näheren Beschreibung der Depression zu, mitsamt einer Erklärung der Herkunft dieses Erlebens im Rahmen des "Vulnerabilis-Stress-Modells". Bevor er dann, und das ist der gut zu lesende und schon bei der Lektüre wohltuend wirkende Kern des Buches, einzelne Schritte der Selbsthilfe sorgsam und, vor allem, motivierend und für den Lebensalltag passend erläutert. Beginnend damit, Essen, Trinken, Schlafen, eine allgemeine "Lebenshygiene" unbedingt als Rahmung sich selbst zu verordnen, so schwer es auch fällt. Ebenso, wie es zwar nur mit viel Mühe gelingen kann, dennoch aber unverzichtbar ist, "mit beiden Augen" zu sehen und nicht dem Strudel des "Schwarz in Schwarz" mit seinen vielfachen, sich selbst steigernden Fehlinterpretationen zu verfallen.
Dass Gefühle beeinflussbar sind, auch durch sich selbst, dass Selbstabwertung eine "natürliche" Folge der Depression ist, aber eben auch ein Trug, dass Beziehungen immens bedeutsam sind und Bewegung einer der wesentlichen Schlüssel zum "in den Griff nehmen", all das sind keine unbedingt neuen, bahnbrechenden Erkenntnisse, dennoch aber wichtige Momente, in dieser Form zusammengefasst wie eine "Programm" nun vorzuliegen. Bis hin zu jener Fähigkeit, die es benötigt, aus dem ständigen "Ja, aber" der "dunklen Phase" ein "Ja, und" eines konstruktiven Umganges mit sich und seinem Leben zu finden.
Dass das alles nicht einfach ist und nicht so einfach gelingt, dass es Situationen gibt, bei der es professioneller Hilfe umgehend bedarf, auch das leugnet Firus nicht und bietet auch in dieser Hinsicht Instrumente der Selbsteinschätzung und der weiteren Möglichkeiten.
9 von 10 Sternen
von Michael Lehmann-Pape [07. März 2016]
Der Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, der in eigener Praxis und in einer REHA-Klinik tätig ist, legt nach "Verabredung mit dem Glück" (ID-A 25/15) über Viktor E. Frankl hier einen niveauvollen, kenntnisreichen und auf viel Erfahrung beruhenden Ratgeber vor. Er wendet sich an Leser, die ihre Depression verdrängen und die er zur Selbstfürsorge anregen will. Zunächst beschreibt er Symptome einer Depression und stellt
Tests zur 1. Orientierung und für die tiefer ansetzende Selbstdiagnose vor. Es folgen unterschiedliche Verlaufsformen einer Depression, Erklärungen für ihr Entstehen und Anzeichen, die auf einen gefährlichen Zustand hindeuten. Dann werden viele Übungen wie z.B. Tagebuchschreiben, Schlafhygiene, Einsatz von körperlicher Bewegung usw. angeführt, die leicht durchführbar sind. Schließlich wird angegeben, wann Medikamente nötig sind, was sie bewirken, wann eine Psychotherapie angesagt ist und wie Freunde helfen können. Mit Fallbeispielen und weisen Anekdoten. Ergänzend zu Larissa Wolkenstein: "Ratgeber Chronische Depression" (ID-A 50/14) besonders empfohlen. (1)
Freya Rickert [2016]